Babylonische Astronomie

1. Geschichte:

Die ersten Hochkulturen entstanden in den fruchtbaren Schwemmlandbecken der großen Flüsse. Aufgrund der organisatorischen Anforderungen, die die Herrschaft über die großen Bevölkerungsgruppen des fruchtbaren Tieflands stellte, haben sich in diesen Gebieten komplexere Gesellschaftsformen entwickelt. Als sich Gruppen von Ackerbauern von den Gebirgshängen auf die offenen Ebenen des Schwemmlands ausbreiteten, entstanden in den Becken von Euphrat und Tigris hierarchisch organisierte Gesellschaften. Diese Gesellschaften hatten im wesentlichen vier entscheidende Merkmale gemeinsam:

Da durch die Bewässerung große Agrarüberschüsse entstanden, wurde es jetzt möglich, ein großes Segment der Bevölkerung nicht mehr im Ackerbau, sondern in anderen Bereichen wie Handwerk und Handel zu beschäftigen. Dies wiederum führte zur Herausbildung einer herrschenden Klasse, die durch die Ausbeutung von Arbeitskräften und die Erhebung von Steuern Reichtum akkumulierte und auf religiösem, militärischem und politischem Gebiet die Kontrolle übernahm. Der Herrscher war oft gleichzeitig der oberste Priester oder genoß, wenn er weltlich war, die Unterstützung der Priesterschaft. In beiden Fällen war der Tempelbezirk ein wichtiges zentrales Element des politischen Systems. Die früheste Form der Schrift wurde in der Verwaltung eingesetzt, um über Güter, Löhne und Steuern Buch zu führen, entwickelte sich jedoch später weiter, so daß sie zur Aufzeichnung und Übermittlung fast jeder Botschaft verwendet werden konnte. In allen Regionen war die erste Schrift ideographisch: Für bestimmte Bezeichnungen oder Begriffe wurden Symbole benutzt. Dieses System erwies sich als unhandlich, und schließlich begann man, die Symbole für Laute statt für Vorstellungen zu gebrauchen, wobei sich der Zusammenhang zwischen Gestalt und Bedeutung der Zeichen allmählich auflöste. Eines der erfolgreichsten Schriftsysteme entwickelte sich in Mesopotamien, wo Griffel mit rechteckigem Ende benutzt wurden, die keilförmige Abdrücke in Tontafeln hinterließen.

Dörfer von Ackerbauern erstreckten sich zunächst von Palästina bis zum Zagrosgebirge, ein Gebiet, in dem die Regenfälle für den Getreideanbau ausreichten. Mit der Einführung von Bewässerungskanälen dehnte sich das Siedlungsgebiet jedoch auch auf die Ebenen des Tieflandes aus, wo nur wenig Regen fiel. Die fruchtbaren Ebenen des südlichen Zweistromlandes ernährten Städte mit Tausenden von Einwohnern. Im 4.Jahrtausend v.Chr. wuchsen die Einwohnerzahlen mancher dieser Städte stark an und stiegen auf 10000 und mehr. Um 3500 v.Chr. hatte Uruk die Vormachtstellung errungen. Der Erfolg Uruks hatte nicht nur lokale Bedeutung, denn die materiellen Erzeugnisse seiner Kultur wurden exportiert, die charakteristische Keramik sogar nahe der Mittelmeerküste gefunden. Der Süden Mesopotamiens, zwischen Nippur und dem Persischen Golf, wurde von den Sumerern besetzt. Ihre unmittelbaren Nachbarn im Norden waren Akkader. In der ersten Hälfte des 3.Jahrtausends (der frühdynastischen Periode) basierte die politische Organisation beider Völker auf Stadtstaaten, die von Uruk, Ur, und Kisch dominiert wurden, wobei die Hegemonie zwischen diesen drei Städten wechselte. Die Stadtstaaten im Süden Mesopotamiens wurden später unter einem Usurpator vereinigt, der sich den Namen Scharrukin (oder Sargon, etwa 2279-2234 v.Chr.), "rechtmäßiger König", zulegte. Er erbaute die neue Hauptstadt Agade (Lage unbekannt) und begründete die Dynastie von Akkad. Die Dynastie von Akkad fiel dem Einbruch der Gutäer aus dem Zagrosgebirge zum Opfer und wurde abgelöst von einer sumerischen Dynastie mit der Stadt Ur als Hauptstadt (Ur III). Dieses Reich, Ur III genannt, bestand nur wenig mehr als ein Jahrhundert (2112-2004 v.Chr.). Während der ganzen Geschichte Mesopotamiens waren immer wieder semitischsprachige Völker aus der syrischen Wüste ins Land gesickert, und am Ende des 3.Jahrtausends waren seine Stadtstaaten Einfällen der Amoriter aus dem Westen ausgesetzt. Es war der Druck der neuen semitischen Invasoren, der für den Zusammenbruch von Ur III verantwortlich war, auch wenn ihm eine Invasion der Elamiten aus Susa den Gnadenstoß versetzte. Die Amoriter gründeten Dynastien von Syrien bis Südmesopotamien. Erneut spaltete sich aber das Zweistromland in rivalisierende Staaten auf. Die größte Bedeutung erlangten Assyrien und Babylonien. Beim Tode Schamschi-Adads I. (etwa 1780 v.Chr.) war Assyrien der mächtigste Staat in Mesopotamien. Es verlor seine Vormachtstellung jedoch fast unmittelbar darauf an Babylonien. Babyloniens Vorherrschaft wiederum dauerte nur 200 Jahre, sie wurde durch eine Invasion der Hethiter beendet, die Babylon 1595 v.Chr. zerstörten. Mitte des 2.Jahrtausends war der Vordere Orient in rivalisierende Reiche geteilt. Wiederholte Einfälle der semitischen Aramäer trugen in Assyrien und Nordbabylonien zu einer wesentlichen Veränderung der ethnischen und politischen Struktur des Vorderen Orients bei. Der Assyrer Tiglatpileser I. überschritt achtundzwanzigmal den Euphrat, um die Aramäer zu bekämpfen. Nach seinem Tod schrumpfte das assyrische Reich, seine Nachfolger im 11. und 10. Jahrhundert v.Chr. beherrschten praktisch nur noch das assyrische Kernland um Assur. Währenddessen siedelte in Südbabylonien und besonders um Ur ein anderer semitischer Stamm, die Chaldäer. Östlich von Babylonien lag Elam. Mitte des 12.Jh.v.Chr. fielen die Elamiten in Babylonien ein, plünderten mesopotamische Tempel (zu ihrer Beute gehörte auch die Statue Marduks, des höchsten Gottes von Babylon, die Siegesstele des Naramsin und der Gesetzeskodex Hammurabis) und setzten der in Babylonien herrschenden Kassitendynastie ein Ende. Babylonien erholte sich kurzfristig unter Nebukadnezar I. (1125-1104 v.Chr.) , der in Elam einmarschierte und die Statue Marduks zurückholte. Als sich die Chaldäer des babylonischen Throns bemächtigt hatten, marschierte der Assyrer Tiglatpileser III. in Babylon ein und wurde 729 v.Chr. zum König von Babylon gekrönt. Der assyrische König Assurbanipal begann 652 v.Chr. gegen seinen Bruder, Schamasch-Schum-Ukin, der König von Babylon war, einen Krieg, den er auch gewann. Im Jahr 627 v.Chr., kurz nach Assurbanipals Tod, bemächtigte sich Nabupolassar (von dem es später hieß, er sei ein Chaldäer) des babylonischen Throns. In den folgenden zehn Jahren führten Assyrer und Babylonier Krieg, bis 614 v.Chr. ein Heer der Meder in das assyrische Kernland vorstieß und die Stadt Assur zerstörte. Zwei Jahre später marschierten Babylonier und Meder gemeinsam gegen Assyrien und zerstörten seine Hauptstadt Ninive. Babylon erhielt als einer der Sieger das mesopotamische Tiefland, während das Bergland westlich des Halys dem verbündeten Mederreich zugeschlagen wurde. 550 v.Chr. erhob sich der Vasallenkönig Kyros II. von Persien, besiegte den Mederkönig Astyages und vereinte Meder und Perser, um Persien zur Vormacht Asiens zu machen. Sein Reich, durch erfolgreiche Feldzüge vergrößert, schloß bald auch Syrien, Lydien, die griechischen Städte Kleinasiens, Babylon und Afghanistan ein. Die persische Achämenidendynastie dauerte bis Alexander der Große Darius im Jahre 331 v.Chr. besiegte. Nach dem Tod Alexanders bekam Seleukus diesen Teil des Reichs, die Seleukiden regierten die Gegend bis 125 v.Chr.

Literatur:

 

2. Sprache und Schrift

Die altbabylonische Kultur basiert auf der älteren der Sumerer. Die Sumerer hatten die Keilschrift erfunden, die Babylonier benützten sie und paßten sie ihrer semitischen Sprache an, wobei sie aber viele sumerische Wortzeichen in der ursprünglichen Wortbedeutung als "Ideogramme" beibehielten. Sie hatten den Vorteil der Kürze, da die sumerischen Wörter meist einsilbig waren und daher mit einem einzigen Silbenzeichen geschrieben werden konnten. Akkadische Wörter konnte man auch phonetisch schreiben, indem man sie in Silben zerlegte und für jede Silbe ein Keilschriftzeichen verwendete, das ein gleich lautendes sumerisches Wort wiedergab. In der modernen Umschrift der Keilschriftzeichen werden phonetisch geschriebene Silben kursiv gedruckt. z.B.: das Sternbild Waage heißt akkadisch zibanitu, sumerisch rin. Dieses Wort kann nun einerseits ideographisch mit einem Keilschriftzeichen rin=zibanitu, andererseits phonetisch mit vier Keilschriftzeichen zi-ba-ni-tum geschrieben werden.

Der babylonische Dialekt des Akkadischen wurde Verkehrssprache im ganzen vorderen Orient während der Assyrischen Zeit. Seit Assur-Uballit fassen auch die assyrischen Könige ihre Inschriften nicht in ihrem eigenen assyrischen, sondern im babylonischen Dialekt ab. Die Texte in Assurbanipals Bibliothek sind in sumerischer und akkadischer Sprache abgefaßt. Im Laufe des 1.Jt.v.Chr. wurde die akkadisch-babylonische Umgangssprache mehr und mehr durch das aramäische verdrängt. Statt der Keilschrift setzte sich die aramäische Buchstabenschrift immer mehr durch. Jedoch wurde in den alten Tempelschulen die alte Sprache und die Keilschrift bis ins 3.Jh.v.Chr. eifrig gepflegt. Astronomische Texte wurden noch bis ins 1.Jh.n.Chr. in Keilschrift geschrieben.

Literatur:

 

3. Sumerische und Babylonische Götter

Apsu: Unterweltsozean, Gemahl von Himmel und Erde Tiamat; Vater von Lahmu, Lahamu, Anshar, Kishar; Kinder und Enkel waren zu laut - wollte sie alle vernichten; Ea fand Plan heraus und tötete ihn

Tiamat: Chaos; Himmel und Erde; rüstete zum Kampf gegen Götter; von Marduk getötet; ihre Augen waren Quellen für Euphrat und Tigris

Anshar: ganzer Himmel, Vater des Anu

Anu (An): semitisch für "Himmel"; Himmelsgott; Vater und König der Götter; lebt im dritten Himmel; Vater des Ea

Antu(m): sumerisch für "Erde"; von Ischtar (Inanna) ersetzt

Enlil (Ellil): sumerisch für "Wind/Sturmgott"; verantwortlich für große Flut; Erschaffer des Menschen; Gott der Länder und der Erde; für Schicksal aller zuständig

Ea (Enki, Nudimmud): Herr der Gewässer; Herr der Weisheit; Vater des Marduk und Bel; benannte Unterweltsozean nach Apsu

Sin (Nanna): Mondgott; Sohn des Enlil, Vater des Schamasch

Ischtar (Inanna): Göttin der Liebe und des Krieges; Anus zweite Geliebte

Schamasch (Utu): Sonnengott; Sohn des Sin

Ninurta: Kriegsgott; Sohn des Enlil

Marduk: hat vier Augen, vier Ohren, spuckt Feuer wenn er spricht; oberster Gott; Sohn des Ea; bekam von Anu vier Winde zum Spielen; tötet Tiamat; konstruiert die Himmel, reguliert das Jahr, gibt Schamasch Herrschaft über Monate und Jahr; formt Euphrat und Tigris aus Tiamats Augen, Berge aus ihren Eutern; hat Sitz in Babylon; über 50 Namen für ihn überliefert

Ereshkigal (Allatu): Hauptgöttin der Unterwelt; Schwester der Ischtar; Nergal ist ihr Geliebter

Nergal: Gott der Unterwelt; Mann der Ereshkigal; Gott des Krieges und der Plagen; schlechter Aspekt von Schamasch

Nabu: Gott der Schrift und der Weisheit

Tammuz (Dumuzi): Bruder und Geliebter der Ischtar; Vegetationsgottheit

Gleichsetzung mit Göttern der mit freiem Auge sichtbaren "Planeten" (inklusive Sonne und Mond!):

"Planet" babylonisch griechisch römisch

Sonne Schamasch Helios Sol

Mond Sin Selene Luna

Merkur Nabu Hermes Merkur

Venus Ischtar Aphrodite Venus

Mars Nergal Ares Mars

Jupiter Marduk Zeus Jupiter

Saturn Ninurtu Kronos Saturn

Literatur:

 

4. Weltbild der Babylonier

Sumerer: Zunächst existierte der Urozean Abzu. Innerhalb dessen formten sich der Himmel An und die Erde Ki. Die Grenze dazwischen bildete ein festes Gewölbe. Die Erde selbst war eine flache Scheibe. Innerhalb des Gewölbes befindet sich das gasförmige "lil", die Atmosphäre. Die helleren Teile der Atmosphäre bildeten Sterne, Planeten, Sonne und Mond. An nahm sich den Himmel, Enlil die Erde, Ereshkigal und Enki die Unterwelt. In der Unterwelt gibt es sieben Götter, denen der Tote opfert. Dort werden ihm auch die Regeln der Unterwelt erklärt. Sonne und Mond befinden sich auch zeitweise in der Unterwelt, die Sonne nach ihrem Untergang, der Mond am Ende des Monats. Von der Unterwelt führt eine Stiege in den Himmel. Die Unterwelt wird von Ereshkigal und Nergal beherrscht. Innerhalb des Hauses von Irkalla (Nergal), des Hauses der Finsternis und des Hauses der Asche existiert niemand. In Ereshkigal's Haus leben Heroen und Priester. Skorpion-Wesen bewachen die 7 Tore zur Unterwelt, die Schamasch täglich benützt. Bei jedem dieser Tore muß etwas zurückgelassen werden. Nachher muß man noch durch 12 Doppeltüren.

Schöpfungsgeschichte "Enuma Elisch": Am Anfang waren Apsu, der Vater, und Tiamat, die Mutter. Tiamat war das Meer. Sie war geschmückt und von einem Mantel umgeben, dieser Mantel war die Erde. Apsu, ihr Gemahl, war das Wasser des Himmels. Jedesmal wenn sie sich vereinigten, wurde Tiamat schwanger und sie gebar Wesen, die sich nie glichen. Diese Nachkommen und deren Nachkommen bevölkerten die Erde, sie waren laut und rücksichtslos. Deswegen wollte Apsu sie wieder loswerden. Beide beschlossen, ihre Nachkommen zu vernichten. Doch Ea durchschaute ihren Plan und er tötete Apsu. Tiamat überschwemmte und zerschmetterte dafür Ea. Aber Eas Sohn, Marduk, rächte sich dafür. Marduk rang Tiamat nieder und tötete sie. Er schnitt sie entzwei, die eine Hälfte hielt er nach oben und so die Wasser des Himmels zurück. Die andere senkte er nach unten und hielt so die Wasser der Erde zurück.

Gilgamesch-Epos: (nach W. Papke)

Das Gilgamesch-Epos beschreibt den Lauf der Sonne und der Planeten über das Jahr hinweg. In ihm ist von sechs Toren die Rede. Wo befinden sich nun diese Tore? (Die folgenden Angaben passen für das Jahr 2340 v.Chr.!)

Schnittpunkte Ekliptik-Äquator = zwei Tore in "Enuma Elisch" und im Gilgamesch-Epos (b Sco und h Tau)

Winter- und Sommersonnenwendepunkte: a Leo und i Aqu

Drei Wege: Weg des Anu, des Enlil, des Ea teilen Sphäre in drei Zonen parallel zum Äquator

Weitere vier Tore genannt = Schnittpunkte, wo Sonne vom Anu- in den Enlil-Weg und umgekehrt

übergeht, sowie vom Anu- in den Ea-Weg und umgekehrt

Grenzen der Wege: Anu-Weg: -16,69° < d < 16,69°

Enlil-Weg: d > 16,69°

Ea-Weg: d < -16,69°

 

Literatur:

 

5. Babylonische Zeitrechnung

Kalender:

Die Babylonier verwendeten einen Lunisolar-Kalender. Ein babylonischer Monat begann, wenn am Abend die dünne Mondsichel zum ersten mal sichtbar wurde. Daher hatte jeder Monat entweder 29 oder 30 Tage, ein Tag dauerte von einem Sonnenuntergang bis zum nächsten. Wenn die Mondsichel nach 30 Tagen noch immer nicht sichtbar war (wegen Wolken), dann begann der neue Monat trotzdem. Das Jahr fing immer mit dem Beginn eines neuen Monats im Frühling an. Viele Texte, wie z.B. auch mulAPIN, verwenden einen idealen Kalender mit 12 Monaten à 30 Tagen in einem Jahr. Da das Sonnenjahr etwa 11 Tage länger ist als 12 Mondmonate, haben die Babylonier etwa alle drei Jahre ein Schaltmonat eingefügt. Am Beginn konnte es zu jeder Jahreszeit eingefügt werden, aber in der Spätbabylonischen Periode wurde es nur mehr entweder nach dem 6. oder dem 12. Monat eingefügt. In den Texten werden sie als zweiter Ululu oder zweiter Adaru bezeichnet. Vor dem 6.Jh.v.Chr. wurden sie eingefügt wann immer es notwendig war. Ab 527 v.Chr. wurde jedoch ein 8-jähriger Zyklus benutzt, der 503 v.Chr. durch einen 19-jährigen Zyklus ersetzt wurde. Der 19-jährige Schaltzyklus wurde in den astronomischen Keilschrifttexten bis zum Jahre 75 n.Chr. beibehalten. Im 8-jährigen Zyklus gibt es drei Schaltjahre, nämlich ein Ululu-Jahr und zwei Adaru-Jahre (- U - A - - A -). Im 19-jährigen Zyklus gibt es 7 Schaltjahre, ein Ululu-Jahr und sechs Adaru-Jahre (- - A - - A - A - - A - - A - - U - A).

Sehr früh schon wurden Regierungsjahre im babylonischen Kalender verwendet. Das erste Regierungsjahr eines Königs begann mit dem ersten Monat des Jahres, das auf seine Thronbesteigung folgte. Das vorhergehende Jahr war daher sowohl das letzte Jahr des letzten Königs als auch das Antrittsjahr des neuen Königs. Diese Zählung war bis zum Regierungsantritt von Seleukus im Jahr 311 v.Chr. in Gebrauch, danach wurden die Jahre seit seiner Epoche gezählt.

Die sumerischen und babylonischen (akkadischen) Monatsnamen lauten:

I

März

BÁR.ZAG.GAR

Nisannu

II

April

GU.SI.SÁ/SU

Aiaru

III

Mai

SIG.GA

Simanu

IV

Juni

SHU.NUMUN

Duzu

V

Juli

NE.NE.GAR

Abu

VI

August

KINdINANNA

Ululu

VII

September

DU.KÙ

Tašritu

VIII

Oktober

APIN.DU.A

Arahsamna

IX

November

GAN.GAN.UD.DU

Kislimu

X

Dezember

AB.BA.DU.DU

Tebetu

XI

Jänner

ZIZ.A

Šabatu

XII

Februar

SHE.GUR.KU

Adaru

Zeiteinheiten:

Was die Einteilung des Tages betrifft, müssen wir zwischen der populären und der astronomischen Zeitrechnung unterscheiden. Die früheste in Babylon für den täglichen Gebrauch nachgewiesene Zeiteinheit ist EN.NUN, was als "Wache" übersetzt wird. Jeder Tag hatte 6 Wachen, 3 für den Tag und 3 für die Nacht. Daher war die Wache eine von der Jahreszeit bedingte Einheit. Die Astronomen teilten den Volltag (Tag + Nacht) in 12 gleiche Doppelstunden, die sie beru nannten. Das beru wurde in 30 kleinere Einheiten dividiert, die man nannte. Ein entspricht genau 4 Minuten. Das wiederum wurde in 60 Teile, NINDA genannt, unterteilt. In altbabylonischen Texten kommen die beru und allerdings noch nicht vor.

Nicht alle Zeiten wurden vom Sonnenuntergang weg gemessen. Statt dessen wurde der Tag in vier Teile zerteilt: Sonnenuntergang bis Mitternacht, Mitternacht bis Sonnenaufgang, Sonnenaufgang bis Mittag, und Mittag bis Sonnenuntergang. Die Zeit wurde innerhalb dieser Unterteilungen relativ zu Sonnenauf- oder -untergang gemessen. Während der Nacht kann die Zeit auch in Bezug auf Fixsterne gemessen werden. Die Babylonier verwendeten dazu Sterne, die gerade kulminierten.

Literatur:

6. Astronomie in Altbabylonischer Zeit

6.1 Allgemeines

In der babylonischen Himmelskunde lassen sich Astronomie und Astrologie nicht voneinander trennen. Vielfach sind die Götter astraler Natur. Durch Gestirne wird ihre Macht symbolisiert, offenbart sich ihr Wesen, wird ihr Einfluß auf die Menschen ablesbar. Unter den 25000 Tontäfelchen der Bibliothek in Ninive fanden sich etwa 7000 Omen-Zeichen, deren erste Aufzeichnung auf die Zeit Sargons um 2800 v.Chr. zurückreicht, darunter die 21 Jahre umfassenden Beobachtungen der heliakischen Aufgänge mit astrologischen Deutungen der Venus. Vorausgesagt wurden vor allem Ernteaussichten, Krieg und Frieden, Seuchen, die Witterung, sowie Leben und Tod der Herrscher. Den Einfluß der Gestirngötter hofften die Babylonier durch Gebete und Opfer herbeizurufen bzw. abzuwenden.

In die Altbabylonische Zeit, das ist die Zeit der Hammurabi Dynastie, fallen die ältesten Zeugnisse der babylonischen Astronomie und auch die ältesten astrologischen Texte. Das 3.Jt.v.Chr. brachte eine deutliche Entwicklung der babylonischen Mathematik. Um 3000 v.Chr. war das Sexagesimalsystem entwickelt, 500 Jahre später gab es Tafeln zur Umrechnung von Flächen verschiedener Maße. Für das Rechnen mit sexagesimal geschriebenen Zahlen hatten die Sumerer Multiplikationstafeln, Reziproktafeln, Quadrat- und Quadratwurzeltafeln. Die Babylonier konnten Systeme von linearen und quadratischen Gleichungen lösen, sogar kubische und biquadratische Gleichungen, sie konnten arithmetische und andere Reihen summieren. Zur Zeit der Hammurabi Dynastie war ihnen auch schon der "Satz des Pythagoras" bekannt.

6.2 Die Venusbeobachtungen unter Ammizaduga

Diese Beobachtungen stehen in der 63.Tafel der Serie "Enuma Anu Enlil", die uns aus der Bibliothek des Assurbanipal zum größten Teil erhalten ist, aber aus dem 2.Jt.v.Chr. stammt. Astronomische Rechnungen zeigen, daß die Mehrzahl der Textdaten richtig ist und daß diese Daten auf wirkliche Beobachtungen zurück gehen müssen. Man erhält eine fast vollständige Liste von Beobachtungen der heliakischen Auf- und Untergänge der Venus, die sich über 21 aufeinanderfolgende Jahre erstreckt, mit astrologischen Deutungen.

Im Text wird bei den Beobachtungen des achten Jahres das "Jahr des goldenen Thrones" erwähnt. Aus altbabylonischen Texten kennt man ein einziges Jahr, das so bezeichnet wurde, nämlich das Jahr 8 des Königs Ammizaduga. Dieser regierte genau 21 Jahre und die Beobachtungen des Textes erstrecken sich auch auf 21 Jahre. Daraus schloß Kugler, daß die Beobachtungen unter der Regierung des Ammaziduga gemacht wurden. Die Richtigkeit dieses Schlusses wurde später durch die Betrachtung der Schaltjahre erhärtet. Aus babylonischen Königslisten ist die relative Chronologie der Könige der Hammurabidynastie zuverlässig bekannt. Man weiß, daß Ammaziduga genau 146 Jahre nach Hammurabi zu regieren begann, daß er 21 Jahre regierte und daß 31 Jahre nach seinem Tod die Dynastie erlosch. Aber die absolute Chronologie ist nicht gut bekannt, für den Regierungsantritt Ammazidugas bleibt ein Datum zwischen 1754 und 1534 v.Chr. möglich. Nun fragt sich, welche Jahre innerhalb dieser Grenzen einigermaßen zu den überlieferten Venusbeobachtungen passen.

Die Venuserscheinungen wiederholen sich recht genau nach 5 synodischen Perioden. Diese sind nämlich gleich 8 Jahre minus 2.5 Tage, oder gleich 99 babylonischen Monaten minus 4 Tage. Der Text berichtet, daß im Jahre 1 die Unsichtbarkeitsdauer der Venus von Abenletzt bis Morgenerst besonders kurz war, nämlich nur 3 Tage. Fünf Jahre später, im Jahre 6, war die Unsichtbarkeit wieder kurz (3 oder 5 Tage). Eine so kurze Unsichtbarkeitsdauer, nach 5 Jahren gefolgt von einer fast ebenso kurzen, kommt alle 8 Jahre nur einmal vor. Ende März 1700 v.Chr. war Venus nur 3 Tage und nach 5 Jahren wieder nur 3 Tage unsichtbar. Das stimmt mit dem Text überein. Nach 8 Jahren wiederholen sich die Venuserscheinungen; man kann also den Anfang des 1.Jahres des Ammizaduga auf das Jahr 1701 v.Chr. legen oder ein Vielfaches von 8 Jahren früher oder später.

Eine weitere Einschränkung liefern Informationen über die Beziehung der Venuserscheinungen zum Anfang des babylonischen Monats, d.h. zur Sichtbarkeit der neuen Mondsichel. Laut Text fand das Morgenerst der Venus im Jahre 1 des Ammaziduga am 18.Tag eines babylonischen Monats statt. Das stimmt genau, wenn man den Anfang des 1.Jahres Ammaziduga auf 1701 v.Chr. legt. Acht Jahre später würden alle Venuserscheinungen 4 Tage früher im babylonischen Monat stattfinden, damit geht die Übereinstimmung verloren. Um wieder Übereinstimmung zu erreichen, muß man 7 oder 8 mal 8 Jahre weitergehen. So erhält man innerhalb der angenommenen Grenzen 1754 und 1534 v.Chr. die folgenden drei Möglichkeiten:

Es gibt drei Methoden, zwischen diesen drei Möglichkeiten zu unterscheiden: die astronomische Methode, die Radiodatierung und die historische Methode. Die astronomische Methode zeigt, daß die mittlere Chronologie ganz auszuschließen ist und daß die kurze Chronologie viel besser paßt als die lange. Die Radiodatierung spricht ebenfalls eher für die kurze Chronologie. Die historische Methode wertet vor allem die assyrischen, babylonischen und hethitischen Königslisten aus. Auch in diesem Fall ist die kurze Chronologie zu bevorzugen. Demnach regierte die Hammurabidynastie von 1829 bis 1530 v.Chr., Hammurabi von 1727-1685 v.Chr. und Ammizaduga von 1581-1561 v.Chr.

 Grenzstein aus dem 14.Jh.v.Chr. (Mond, Sonne, Venus, Skorpion)

 

7. Assyrische Zeit

Es gibt nur drei astronomische Texte, die sicher in die zweite Hälfte des zweiten Jahrtausends zu datieren sind:

7.1 Astrolabe und die Sterne von Elam, Akkad und Amurru

Die babylonischen Monate waren mit Aufgängen von Sternen verknüpft. Es sind mehrere Listen dieser 36 Sterne erhalten, die untereinander nur geringfügig abweichen. Der älteste unter den erhaltenen Texten stammt aus Assur und wurde um 1100 v.Chr. geschrieben. Der Text ordnet die Sterne in drei nebeneinanderstehenden Kolonnen zu 12 Sternen. Außer der Sternliste enthält der Text noch einen Kommentar über die gegenseitige Stellung der Sterne, ihren Auf- und Untergang, ihre Bedeutung für die Landwirtschaft und ihre mythologische Bedeutung.

Es gibt je 12 Sterne des Ea, 12 des Anu und 12 des Enlil. Die Listenform ist wahrscheinlich nicht die ursprüngliche. Aus der Bibliothek des Assurbanipal ist nämlich ein Bruchstück einer Tafel in kreisrunder Form erhalten. Die kreisförmige Tafel war in Sektoren eingeteilt, von denen jeder am Rand einen Monatsnamen trägt (der Reihe nach im Uhrzeigersinn). Außerdem sind noch zwei konzentrische Kreise gezogen, so daß die Scheibe in drei Ringe und jeder Sektor in drei Stücke zerfällt. Jedes der so entstehenden 36 Stücke enthält nun einen Sternnamen und eine Zahl. Die Sterne des Ea stehen im äußeren Ring, die Sterne des Anu im mittleren und die Sterne des Enlil im inneren Ring.

Es gibt zwei Listen mit zwölf Sternen von Elam, zwölf Sternen von Akkad und zwölf Sternen von Amurru. Diese Sterne sind identisch mit den Sternen des Astrolabs und ihre Reihenfolge entspricht genau der Reihenfolge der zwölf Monate im Astrolab. Somit sind die Sterne von Elam, Akkad und Amurru Monatssterne, die den zwölf Monaten des Jahres entsprechen. Und zwar sind die Monate gerade die Monate, in denen die Sterne heliakisch aufgehen, d.h. zum ersten mal in der Morgendämmerung sichtbar werden. Das gilt nicht für die Planeten und auch nicht für Zirkumpolarsterne, die offenbar eingefügt wurden, um Lücken zu schließen und ein schön symmetrisches Schema zu erhalten.

Zahlen sind in zwei Astrolaben vorhanden. Im äußeren Ring der kreisförmigen bzw. in der ersten Spalte der listenförmigen Astrolabe nehmen sie von 2 bis 4 mit konstanten Differenzen zu und nehmen dann wieder in der gleichen Weise ab. Die Zahlen des mittleren Rings sind die Hälfte, die des inneren Rings ein Viertel derjenigen des äußeren Rings. Da das Maximum 4 im Monat III, d.h. im Frühsommer, erreicht wird, ist es klar, daß diese Zahlen etwas mit der Länge des Tages zu tun haben. Es ist bekannt, daß Tag und Nacht in je drei Wachen geteilt waren. Um die Länge einer Tages- oder Nachtwache zur Zeit des Sommersolstitiums festzulegen, hat man eine gewisse Menge Wasser in eine Wasseruhr zu gießen, ihre Leerung zeigt das Ende der Wache an. Wenn die Zahlen auf dem Astrolab dieselbe Bedeutung haben, dann müssen die Zahlen des äußeren Rings Tageswachen bedeuten, die des mittleren Rings halbe Wachen und die des inneren Rings Viertelwachen. Die Babylonier teilten also jede Wache in vier gleiche Teile, was bedeutet, daß sie den ganzen Tag in zwölf gleiche Teile teilten.

7.2 Identifikation der genannten Sternbilder: Die Serie mulAPIN

Die Planetennamen und einige Sterne und Sternbilder des Tierkreises, die in den späteren Planetentexten vorkommen, können leicht identifiziert werden. Die dritte und wichtigste Möglichkeit der Identifikation von Sternbildern wird durch den Sternkatalog geliefert, mit dem die erste Tafel der Serie mulAPIN anhebt. Dieser Text stammt aus dem ersten Jahrtausend v.Chr., der Zeit der Hochblüte der babylonischen Astronomie. Die nach ihren Anfangsworten benannte Serie besteht aus zwei Tafeln. Das Hauptexemplar der ersten Tafel stammt etwa aus dem 3.Jh.v.Chr. Mit Hilfe von fünf Duplikaten (eines neubabylonisch, zwei aus der Bibliothek Assurbanipals, zwei aus Assur) konnte der Text vollständig wiederhergestellt werden. Das Hauptexemplar der zweiten Tafel stammt aus Assur. Es ist auf 687 v.Chr. datiert und besitzt sieben Duplikate: drei aus Assur, drei aus Assurbanipals Bibliothek, eines neubabylonisch. Der älteste dieser Texte stammt aus Assur, aber ein babylonischer Ursprung ist sehr wahrscheinlich, da die Angaben über die heliakischen Aufgänge besser für die Breite von Babylon stimmen als für die Breite von Assur. Die beiden Tafeln enthalten:

Die Serie mulAPIN stellt allen Anschein nach eine Kompilation des gesamten astronomischen Wissens der Zeit vor 700 v.Chr. dar.

Sternkatalog:

Der Anfang der Serie mulAPIN folgt sehr eng dem System der Astrolabe, verbessert es aber wesentlich. Zunächst einmal löst es das starre Schema der zwölf mal drei Sterne in getrennte Listen auf: einerseits eine Liste der Sterne des Enlil, Anu und Ea, andererseits eine Liste der heliakischen Aufgänge. Dadurch wird es der unregelmäßigen Verteilung der Sterne am Himmelszelt viel besser gerecht. Die Liste der 33 Sterne Enlils, 23 Sterne Anus und 15 Sterne Eas lieferten wichtige Anhaltspunkte zur Identifikation der Sterne und Sternbilder. Man sieht, daß eine ganze Anzahl von babylonischen Sternbildern genau den klassischen griechischen entsprechen.

Folgende Identifikationen sind gesichert (Van der Waerden 1967):

DIL.BAT Venus

Sal-bat-a-nu Mars

UD.AL.TAR Jupiter, Marduk

ŠUL.PA.E Jupiter

LU.BAT.SAG.UŠ Saturn

LU.BAT.GUD.UD Merkur

Sin Mond

Šamaš Sonne

MUL.MUL Pleiaden

SIBA.ZI.AN.NA Orion

KAK.TAG.GA Sirius

ŠU.PA Arktur

AL.LUL Prokyon

KUA "Fisch" (Formalhaut)

LUGAL Regulus

GIR.TAB Skorpion

RIN, zi-ba-ni-tum Waage

MAR.GID.DA Großer Bär

HUN.GA Widder

MAŠ.TAB.BA.GAL.GAL Zwillinge

NANGAR Krebs, speziell Praesepe

UR.GU.LA = UR.A Löwe

GU.LA Wassermann

UGA Rabe

EN.TE.NA.MUŠ.LUM Centaurus

Amušen Adler

GUD.AN.NA Stier

SUHUR.MAŠ "Ziegenfisch" (Steinbock)

IKU Rechteck des Pegasus

UR.KU "Hund" (Herkules)

UZA "Ziege" (Lyra)

PA.BIL.DAG Schütze

BAN "Bogen" (τ, δ, σ, ε, κ, η CMa + η, ξ (?) Pup)

ŠIM.MAH "große Schwalbe" (südwestlicher Teil der Fische + Sterne bis zu ε Peg)

Anunitu "Himmelsbewohnerin" (nordöstlicher Teil der Fische + mittlerer Teil der

Andromeda)

APIN "Pflug" (Dreieck + γ And)

ŠU.GI "Greis oder Wagenlenker" (Perseus + nördlicher Teil des Stiers?)

MUŠ "Schlange" (Hydra + β Cnc)

KAK.SI.DI "Pfeil", Sirius

UR.IDIM "toller Hund" (Serpens)

UD.KA.DUH.A "Panthergreif" (Schwan + α, ξ, ι, δ, ζ, μ Cep)

GAM "Krummsäbel" (Fuhrmann oder Capella)

is li-e "Kinnlade des Stiers" (Hyaden + Aldebaran)

MAŠ.TAB.BA.TUR.TUR "kleine Zwillinge" (ι + ν Gem)

NUNki "Stadt Eridu" (Canopus)

AB.SIN "Ähre" (Spica)

GAB.GIR.TAB "Brust des Skorpions" (Antares)

LU.LIM "Hirsch" (Cassiopeia ohne β Cas)

Die drei Wege am Himmel:

Die Sonne verweilt gerade je drei Monate in jedem der drei Wege (Anu, Enlil, Ea). Im Text Sm1907 heißt es:

1-3: Vom 1.Adar bis zum 30.Airu steht die Sonne im Anu(?)-Wege.

4-5: Vom 1.Sivan bis zum 30.Ab steht die Sonne im Enlilwege.

6-7: Vom 1.Elul bis zum 30.Arahsamna steht die Sonne im Anuwege.

8: Vom 1.Kislev bis zum 30.Šebat steht die Sonne im Eawege.

Somit müssen die Grenzen der Wege 16°40´ nördlich und südlich des Äquators liegen. Die beste Übereinstimmung mit dem Sternkatalog erreicht man, wenn man die Grenzen ungefähr bei 17° annimmt. Die Übereinstimmung ist jedoch nicht vollkommen.

Bei einem Vergleich der Liste von mulAPIN mit den Astrolaben stellte sich heraus, daß nicht weniger als vierzehn Sternbilder anders eingeordnet wurden. In den meisten Fällen sind die Astrolabe im Unrecht. Folgende Entwicklung ist wahrscheinlich: Volkstradition der Kalendersterne -> Listen der Stern von Elam, Akkad und Amurru (um 1700 v.Chr.) -> Astrolab in runder Form -> Astrolab in Listenform (vor 1100 v.Chr.) -> Serie mulAPIN (vor 700 v.Chr.)

Ziqpu Sterne:

Die Beobachtung horizontnaher Ereignisse wird sehr leicht durch Trübungen der Atmosphäre gestört. Aus mulAPIN geht hervor, daß die Babylonier gewissermaßen als Ersatz die gleichzeitig stattfindende Kulmination anderer Sterne, der sogenannten ziqpu Sterne, beobachteten. Diese Sterne wurden aber auch zur Zeitbestimmung während der Nacht benutzt. Die viel benützten Wasseruhren waren ungenaue Instrumente. Deshalb bezog man in Mondfinsternisberichten spätestens seit dem Jahr 620 v.Chr. den Zeitpunkt des Finsternisbeginns nicht nur auf den Auf- oder Untergang der Sonne, sondern auch auf die Kulmination eines ziqpu-Sterns. Zur modernen Berechnung stimmen diese Zeitangaben durchwegs mit einer Genauigkeit von 4 bis 8 Minuten. Um derartige Angaben miteinander vergleichen zu können, braucht man noch eine Liste, welche die Zeitdifferenzen zwischen den Kulminationen einzelner ziqpu Sterne angibt. Solche Listen sind auch tatsächlich erhalten.

Sterne im Wege des Mondes:

Zur Zeit der Abfassung des Textes mulAPIN war der Tierkreis im eigentlichen Sinn noch nicht bekannt, da er nirgends erwähnt wird. Aber es gibt eine Liste der Sternbilder im Wege des Mondes, insgesamt 17 oder 18. Es sind aber schon alle babylonischen Namen der späteren Tierkreiszeichen darin enthalten, beginnend mit dem Zeichen des Stieres.

Dauer der Nacht und Leuchtzeit des Mondes:

Die ersten astronomischen Erscheinungen, welche die Babylonier berechnen lernten, waren:

In den Texten kann man zwei System zur Berechnung der Dauer von Tag und Nacht unterscheiden. Im älteren System, das man in den Astrolaben sieht, fällt das Frühlingsäquinoktium auf XII 15, der längste Tag ist III 15, und der längste Tag verhält sich zum kürzesten wie 2:1. Das Jahr ist in zwölf schematische Monate zu je dreissig Tagen eingeteilt. Die Monate sind mit dem heliakischen Aufgang gewisser Sterne verknüpft; der Tierkreis wird

nicht erwähnt. Nach dem jüngeren System (mulAPIN) fällt das Frühlingsäquinoktium auf I 15 und der längste Tag auf IV 15. Der längste Tag verhält sich zur kürzesten Nacht wie 2:1, gelegentlich aber auch wie 3:2. Dieser zweite, bessere Wert wird jedoch nur erwähnt, nicht in den Rechnungen benützt. In beiden Systemen nimmt die Länge des Tages während sechs Monaten linear zu und dann während sechs Monaten wieder linear ab. Wenn man davon ausgeht, daß die Dauer des längsten Tages 2/3 und die Dauer des kürzesten Tages 1/3 eines Volltages beträgt, kann man die Dauer eines beliebigen Tages daraus leicht berechnen.

Literatur:

8. Astronomie in Neubabylonischer und Persischer Zeit

Die Astronomie der Neubabylonischen und Persischen Zeit (ab 626 v.Chr.) besitzt folgende charakteristische Züge, durch die sie sich deutlich von der älteren Astronomie unterscheidet:

Die systematische Beobachtung der Himmelserscheinungen setzte schon in der assyrischen Zeit ein und wurde fortlaufend bis in die Seleukidenzeit fortgeführt. Bereits in den Beobachtungstexten der neubabylonischen Zeit findet man gelegentlich Einschübe nicht beobachteter, aber berechneter Erscheinungen. Die Beobachtungstexte zerfallen in zwei Kategorien: Tagebücher, die sich meistens über ein Jahr oder ein halbes Jahr erstrecken, und Zusammenstellungen von gleichartigen Erscheinungen über mehrere Jahre, die sogenannten Zieljahrtexte.

8.1 Tagebücher

Die Tagebücher berichten in chronologischer Reihenfolge ausführlich über astronomische und meteorologische Beobachtungen, Wasserstände und Marktpreise, über Seuchen, Erdbeben und andere besondere Ereignisse. Man kann annehmen, daß solche Tagebücher spätestens seit 568 v.Chr. fortlaufend geführt wurden. Der älteste Text aus dem Jahr 568 v.Chr. stammt aus dem 37.Jahr Nebukadnezars II.

Jahr 37 des Nebukadnezar, des Königs von Babylon. Nisannu 30: der Mond wurde hinter

GUD.AN (=Hyaden) sichtbar; 14(?) UŠ (=56 Minuten) Sichtbarkeitsdauer [...]

Saturn gegenüber ŠIM (= ŠIM.MAH, südwestl. Teil der Fische). Am Morgen des 2.

"versperrte" ein Regenbogen im Westen. In der Nacht des 3. der Mond 2 Ellen (1 Elle

= 2°) vor [...] Bei Beginn der Nacht des 9. der Mond 1 Elle vor dem Stern am hintern Fuß

des Löwen (= β Vir). Am 9. war die Sonne im Westen von einem Halo umgeben. <Am 11.>

oder 12. Hatte Jupiter seinen Abendaufgang. Am 14. war der Gott mit dem Gotte

sichtbar (d.h. Sonne und Mond standen sich am Abend genau gegenüber, die Sonne am

Westhorizont, der Vollmond am Osthorizont). 4 UŠ (=16 Minuten) vergingen zwischen

Sonnenaufgang und Monduntergang am nächsten Morgen. Am 15. war es bewölkt. Am 16.

Venus [...]. Am Morgen des 20. war die Sonne von einem Halo umgeben. Von Mittag bis

Abend Regengüsse. Ein Regenbogen "versperrte" im Osten. Vom 8.Schaltadaru bis zum

28. stieg die Flut 3 Ellen 8 Finger (1 Elle = 24 Finger » 50 cm). 2/3 Ellen zu einer Flut

[...]. Auf Befehl des Königs (wurden) Opfer (dargebracht). In diesem Monat drang ein Fuchs

in die Stadt ein. Husten und [...].

Aiaru 1 wurde der Mond, während noch die Sonne dastand, 4 Ellen unter dem westlichen

hintern Stern der großen Zwillinge (= β Gem) sichtbar; er war breit, trug die Tiara

[...]. Saturn gegenüber ŠIM.MAH. Merkur, der heliakisch untergegangen war, war nicht

sichtbar. In der Nacht des 1. heftiger (?) Südoststurm. Am 1. den ganzen Tag [bewölkt].

Venus ging auf die größte Elongation im Westen zu (?). Am 2. wehte heftiger (?) Nordwind.

Am 3. trat Mars in NANGAR (= Praesepe) ein, am 5. kam er wieder heraus. Am 10. ging

Merkur hinter den Zwillingen [heliakisch auf ...]. Am 18. Venus über LUGAL (= Regulus)

1 Elle 4 Finger. Am 26. war der Mond noch 23 UŠ sichtbar. [...]

Der Text enthält am 15.Simanu den Vermerk "Mondfinsternis, welche ausfiel". Es handelt sich dabei um die Mondfinsternis vom 4.Juli 568 v.Chr., die in Babylon unsichtbar war, da der Vollmond kurz nach Mittag eintrat. Folgende astronomische Beobachtungen wurden regelmäßig angestellt:

  1. Datum
  2. Zeit zwischen Mondaufgang und Sonnenuntergang
  3. Zeitpunkt des Finsternisbeginns relativ zur Kulmination eines ziqpu-Sterns
  4. Positionswinkel des Eintretens in den Schatten
  5. Zeitdauer bis zum Erreichen des maximalen Phase
  6. Größe der maximalen Phase
  7. Dauer der maximalen Phase
  8. Zeitdauer vom Ende der maximalen Phase bis zum Ende der Finsternis
  9. Richtung, in der der Schatten über die Mondscheibe streicht
  10. Gesamtdauer der Finsternis
  11. Bemerkungen meteorologischer Natur
  12. Sichtbarkeit der Planeten und des Sirius
  13. Position des Mondes relativ zu einem Normalstern
  14. Finsternisbeginn, relativ zu Sonnenaufgang oder -untergang
  15. Zeit zwischen Sonnenaufgang und Monduntergang

8.2 Zieljahrtexte

Zusammenstellungen alter Finsternis- und Planetenbeobachtungen:

  1. Detaillierte Berichte über aufeinanderfolgende Mondfinsternisse, in 18-Jahr-Gruppen angeordnet.
  2. Daten (Jahr und Monat) aufeinanderfolgender Mondfinsternisse, in 18-Jahr-Gruppen angeordnet.
  3. Daten (Jahr und Monat) aufeinanderfolgender Sonnenfinsternisse, in 18-Jahr-Gruppen angeordnet.
  4. Jupiterbeobachtungen, in 12-Jahr-Gruppen angeordnet.
  5. Venusbeobachtungen, in 8-Jahr-Gruppen angeordnet.
  6. Venus- und Merkurbeobachtungen
  7. Mars- und Saturnbeobachtungen, Konjunktionen mit dem Mond

8.3 Periodenrechnung

Genaue Periodenverhältnisse findet man in den älteren Texten nicht. In der Seleukidenzeit waren aber sehr genaue Periodenverhältnisse bekannt. Sie bilden die Grundlage der rechnenden Astronomie. Einige dieser Perioden waren schon in der Perserzeit bekannt. Zum Auffinden genauer Perioden sind langjährige, schriftlich überlieferte Beobachtungen erforderlich. Die Finsternisbeobachtungen waren in 18-Jahr-Gruppen angeordnet, 18 Jahre bilden einen Saros. Durch einen Vergleich von Finsternissen, die 18 Jahre auseinander liegen, kann man die Änderung der Finsternisgröße, des Mondortes und des Datums feststellen. Diese Verschiebungen kann man nachher für Vorhersagen benutzen. Die Texte zählen nicht bloß die Planetenperioden auf, sondern geben detaillierte Verfahren an, wie man mit Hilfe der Perioden die Planetenerscheinungen berechnet.

Große Perioden:

Saturn 589 Jahre

Jupiter 344 Jahre

Mars 284 Jahre

Venus 6400 Jahre

Mond 684 Jahre

In den Rechentafeln der Seleukidenzeit werden folgende Perioden benutzt:

Saturn 265 Jahre = 9 Umläufe = 256 synodische Perioden

Jupiter 427 Jahre = 36 Umläufe = 391 synodische Perioden

Mars 284 Jahre = 151 Umläufe = 133 synodische Perioden

Venus 1151 Jahre = 1151 Umläufe = 720 synodische Perioden

Merkur 480 Jahre = 480 Umläufe = 1513 synodische Perioden

8.4 Finsternisvoraussagen:

Die Beobachtungen geben für gewöhnlich Details zur Finsternis an wie etwa die Dauer der Finsternis relativ zu Sonnenauf- oder -untergang oder im Bezug auf einen ziqpu-Stern, eine Schätzung der Magnitude, die Dauer und ihre Phasen, manchmal auch die Sichtbarkeit von Planeten und Sternen. Hier ein Beispiel vom 1.August 226 v.Chr.:

"Night on the 14th, moonrise to sunset: 4°, measured (despite) mist; at 52° after

sunset, when a Cygni culminated, lunar eclipse; when it began on the east side,

in 17° nighttime it covered it completely; 10° nighttime maximum phase; when

it began to clear, it cleared in 15° nighttime from south to north; in (its) onset it

was slow, in (its) clearing it was fast; 42° onset, maximum phase, and clearing;

its eclipse was red; (in) its eclipse, a gusty north wind blew; (in) its eclipse, all

the planets did not stand there; 5 cubits behind d Capricorni it became eclipsed."

[BM 33655; Übersetzung Sachs & Hunger (1988)]

Genauigkeit der beobachteten Zeiten:

Bei einem Vergleich der beobachteten und der heute berechenbaren Zeiten wird sofort klar, daß vor 570 v.Chr. die meisten Daten auf die nächsten 5° gerundet wurden. Gleichzeitig wird klar, daß die Genauigkeit der Messungen selbst über die Jahrhunderte nicht zunahm, nur die Angaben der Astronomen wurden genauer. Man findet keinen Unterschied in der Angabe der Genauigkeiten bei Mond- und Sonnenfinsternissen. Ebenso läßt sich kein signifikanter Unterschied finden je nach Saison der Finsternis.

Finsternisvorhersagen:

Die babylonischen Vorhersagen für Mondfinsternisse waren in 66% aller Fälle erfolgreich, 30% waren knapp daneben (Mondfinsternis in Babylon nicht sichtbar, aber woanders), 4% völlig daneben. Die mittlere Genauigkeit der Vorhersagen ist etwa 1.31 Stunden, auch hier findet sich keine Verbesserung im Laufe der Zeit. Für Sonnenfinsternisse waren die babylonischen Vorhersagen in 41% aller Fälle erfolgreich und in 59% der Fälle nicht. Tablett 20 der Omenserie Enuma Anu Enlil spricht über die Vorhersage von Finsternissen aufgrund von Beobachtungen des Mondes am Tag seiner letzten Sichtbarkeit.

"[Observe his (the moon's)] last [visibility] on the 28th of Nisannu, [and on]

the 14th day of Ajaru [you will predict] an eclipse. [The day of last visibility will

sh]ow you [the eclipse.]"

[Übersetzung Rochberg-Halton 1988]

Spätestens 600 v.Chr. benutzten die Babylonier den Saros-Zyklus für Finsternisvorhersagen. Die damaligen Astronomen realisierten, daß der Saros nicht nur erlaubte, eine Finsternis 223 Monate nach einer beobachteten vorherzusagen, sondern auch, daß es eine Möglichkeit gab, damit zu bestimmen, wann schon 5 Monate später eine Finsternis folgen könne und wann nicht. Innerhalb jeder Saros-Periode von 223 synodischen Monaten sind 38 Finsternisse möglich. 33 davon treten in 6-monats Intervallen auf, 5 in 5-monats Intervallen. Die ungewöhnlicheren 5-monats Intervalle müssen nun so gleichmäßig wie möglich verteilt werden, somit sollte nach jeder 7. oder 8. Finsternis nach 5 Monaten schon wieder eine auftreten. In der Seleukidenzeit schließlich waren die mathematischen Methoden viel besser. Es gibt dann zwei Systeme für die Mondtheorie.

8.5 Tierkreiszeichen:

Spätestens in der Perserzeit wurde die Zwölfteilung auch auf die Ekliptik übertragen, wodurch die 12 Tierkreiszeichen exakt gleicher Länge entstanden.

LU.HUN.GA

Widder

MUL

Stier

MAŠ

Zwillinge

NANGAR

Krebs

UR.A

Löwe

AB.SIN

Jungfrau

zi-ba-ni-tu

Waage

GIR.TAB

Skorpion

PA

Schütze

SUHUR

Steinbock

GU

Wassermann

zib

Fische

Da die Tierkreiszeichen nach Bildern in ihrem Bereich benannt sind, ist es oft schwer zu sagen, ob das Zeichen oder das Sternbild gemeint ist. Die babylonischen Astronomen verknüpften die Anfangspunkte der Zeichen nicht mit dem Frühlingspunkt, sondern mit den Fixsternen.

 

  1. Astronomie in der Seleukidenzeit

Seleukidische Tontafeln:

 Mond, Pleiaden, Stier

 Jupiter, Löwe, Hydra

 Merkur, Jungfrau, Rabe

 

9.1 Babylonische Mondrechnung

Unter den Keilschrifttexten findet man etwa 300 Texte aus der Seleukidenzeit, in denen der Lauf des Mondes und der fünf Planeten sowie Finsternisgrößen für viele Jahre berechnet sind. Ausgegraben wurden sie in Babylon und Uruk. Die Babylontexte stammen aus den Jahren 311 bis 11 v.Chr., die Uruktexte aus den Jahren 226 bis 161 v.Chr. Die meisten Tafeln geben Details über die Bewegung des Mondes oder der Planeten wieder, diese Tafeln werden Ephemeriden genannt. Andere Tafeln geben Details wieder, wie gerechnet wurden, diese Tafeln werden Hilfstafeln genannt. Sowohl in Babylon als auch in Uruk waren zwei Systeme der Mondrechnung nebeneinander in Gebrauch. Der Hauptunterschied ist, daß im System A die Sonne in einem Teil des Tierkreises eine konstante Geschwindigkeit (30° pro Monat) und im restlichen Teil eine andere konstante Geschwindigkeit (28°7´30´´) hat, während im System B der monatlich zurückgelegte Weg der Sonne von Monat zu Monat mit konstanten Differenzen zu- oder abnimmt. Die erhaltenen Texte des Systems A stammen aus den Jahren 263 bis 14 v.Chr., die des Systems B aus den Jahren 252 bis 69 v.Chr. Beide Systeme sind also jahrhundertelang nebeneinander in Gebrauch gewesen. Die Texte enthalten meist Angaben für die Neumonde und Vollmonde in einem oder zwei Jahren. Es gibt aber auch Finsternistexte, die sich über viele Jahre erstrecken.

Die Ähnlichkeit zwischen den Systemen A und B ist so groß, daß man sie vermutlich derselben Blütezeit der babylonischen Astronomie zuweisen kann. Diese Blütezeit wäre zwischen 640 und 440 v.Chr. anzunehmen. Auch in der beobachtenden Astronomie fand in derselben Zeit eine Neubelebung statt. Der Erfinder des Systems A hieß vermutlich Nabu-Rimannu (griech. Namurianos), der des Systems B Kidinnu (griech. Kidenas).

Das Hauptziel der Mondrechnung war die Bestimmung des Mondortes und der genauen Zeit für Neumond und Vollmond.

System A

Alle Rechenvorschriften im System A zur Berechnung der Sonnen- und Mondlängen, der Mondbreiten, der Finsternisgröße und der Monatsdauer folgen rein logisch aus einigen wenigen Grundannahmen.

  1. Die Sonne legt von 13° Virgo bis 27° Pisces monatlich 30° zurück, von 27° Pisces bis 13° Virgo aber 28°7´30´´.
  2. Der Mond legt in einem Monat 360° mehr zurück als die Sonne. Der Vollmond steht der Sonne gegenüber, der Neumond hat dieselbe Länge wie die Sonne.
  3. Der Lichttag ist eine stückweise lineare Funktion des Sonnenortes. Bei 10° ist der Lichttag 3H. Für jeden Grad Zunahme der Sonnenlänge nimmt der Lichttag bis zu einem Maximum von 3H36° zu, zunächst um 40´, dann um 24´und schließlich um 8´. Dann nimmt er in derselben weise ab bis zum Minimum von 2H24°.
  4. Der aufsteigende Knoten der Mondbahn bewegt sich jeden Monat um 1°33´55´´ rückwärts. Die Mondbreite ist eine stückweise lineare Funktion des Abstandes vom Knoten.
  5. Ist die Mondbreite beim Vollmond dem Betrag nach kleiner als 17;24 Finger (1 Finger = 5´), so ist eine Mondfinsternis möglich.
  6. Die Dauer einer Sarosperiode zu 223 synodischen Monaten nimmt als Funktion der Mondlänge linear zu bis zu einem Maximum, bleibt dann eine Strecke lang konstant, nimmt linear ab bis zu ihrem Minimum und bleibt dann wieder eine Strecke lang konstant. Die Periode, nach deren Ablauf diese Funktion sich wiederholt, ist die anomalistische Periode des Mondes (6247 Monate = 6695 anomalistische Perioden).

System B

Im System B ändert sich die Geschwindigkeit der Sonne zick-zack-mäßig. Einige der zugrunde liegenden Annahmen sind anders als in System A, so werden etwa die Äquinoktien und Solstitien bei 8ş der entsprechenden Zeichen angenommen und nicht bei 10ş wie im System A. Die benutzten Zahlenwerte und Perioden stimmen besser mit der Wirklichkeit überein. Es ist in seiner logischen Struktur einfacher als System A. Kolonne A gibt die monatliche Bewegung der Sonne, die durch eine lineare Zackenfunktion beschrieben ist. In Kolonne B ist die Sonnenlänge beim Neumond am Ende des Monats angegeben. Kolonne C bietet die Dauer des Tages. Die Zahlen in Kolonne D geben die Dauer der halben Nacht an. In Kolonne E ist die Finsternisgröße angegeben. Kolonne F enthält die Mondgeschwindigkeit, die wiederum durch eine lineare Zackenfunktion dargestellt wird.

9.2 Babylonische Planetenrechnung

Analog ist das erste Ziel der Planetenrechnung die Bestimmung des Ortes und der Zeit für die Kardinalpunkte der Planetenbewegung. Die Kardinalpunkte sind für die oberen Planeten Saturn, Jupiter, Mars:

Für die unteren Planeten Venus und Merkur sind die Kardinalpunkte:

Es wurden auch die Position des Planeten auf der Ekliptik zu diesen Zeitpunkten berechnet.

Auch bei der Planetenrechnung gibt es wie bei der Mondrechnung zwei Systeme A und B. Sie folgen dem Muster der Mondrechnung, sie sind also später gebildet worden (da systematische Planetenbeobachtungen erst später begonnen wurden!). Vermutlich ist die Planetenberechnung erst nach 520 v.Chr. entstanden, da erst ab 537 v.Chr. systematische Beobachtungen vorhanden sind. Andererseits gab es ab 300 v.Chr. schon Merkurtafeln. Nun ist Merkur ein schwieriger Planet: er ist meistens nicht zu sehen und bewegt sich sehr unregelmäßig. Vermutlich hat man zuerst Theorien für die einfacheren Planeten Jupiter, Saturn und Venus aufgestellt und sich dann erst an Mars und Merkur herangewagt. Die Mars- und Merkurtheorie enthalten auch einen neuen Gedanken, den man in den Theorien für die drei anderen Planeten noch nicht findet, nämlich den Gedanken, einige Phänomene direkt zu berechnen und andere aus den zuerst berechneten herzuleiten. Daher kann man annehmen, daß es um 300 v.Chr. nicht nur für Merkur, sondern mindestens auch für Jupiter, Saturn und Venus Systeme A gab. Die Erfindung dieser Systeme A muß also in die Zeit zwischen 520 und 300 v.Chr. fallen. Systeme B haben wir für Jupiter, Saturn und Mars, und zwar waren diese Systeme schon 200 v.Chr. in Uruk bekannt. Die Systeme B beruhen auf genau denselben Periodenrelationen wie die Systeme A und wurden sowohl in Babylon als auch in Uruk gleichzeitig mit ihnen benutzt.

 

8.3 Ursprungsort der Mond- und Planetenrechnung

Die Zeit zwischen 600 und 300 v.Chr. war eine Glanzzeit der babylonischen Astronomie. Beobachtung und Theorie gingen dabei Hand in Hand. Babylon erscheint aus verschiedenen Gründen wahrscheinlicher als Ursprungsort der Planetenrechnung als Uruk. So gab es in Babylon eine Sammlung von alten und neuen Planetenbeobachtungen. Eine solche Sammlung ist zur Bestimmung der Konstanten der Theorie unentbehrlich. Aus Uruk ist keine solche Sammlung überliefert. Weiters sind die ältesten Planetentafeln in Babylon 100 Jahre älter als alle Uruktafeln. Drittens findet man in Babylon viele Varianten und vom üblichen Schema abweichende Texte, während die Urukschreiber sich meistens an wenige, gut bewährte Methoden halten. Die Lehrtexte aus Uruk geben nur Rechenmethoden, die aus Babylon manchmal Begründungen.

Literatur: